1. Vorgeschichte
Nordwestlich von Gießen, am Rand des gleichnamigen Beckens, naturlandschaftlich aber noch zum Gladenbacher Bergland gehörig, erhebt sich der fast 500m hohe Dünsberg mit seinem weithin sichtbaren Fernsehturm und Aussichtsturm.
Der Berg selbst ist ein sogenannter Härtling, der aus den harten Schichten des Kieselschiefers besteht. Er wurde in Jahrmillionen durch die viel rasche Abtragung der ihn umgebenden weicheren Gesteinschichten zur beherrschenden Höhe im Bild dieser Landschaft. Um diesen Berg lagern sich die Orte der am 1. Dez. 1970 gebildeten Großgemeinde Biebertal.
Sie umfasst die Orte Frankenbach (eingegliedert seit 1. 1. 1977), Fellingshausen, Königsberg, Krumbach, Rodheim-Bieber und Vetzberg.
Nicht nur weil der Dünsberg die Landschaft prägt und Mittelpunkt unserer Gemeinde ist, sondern auch wegen seiner gewaltigen, aus Kelten- und Germanenzeit stammenden Ringwällen ist er in den Mittelpunkt unseres geschichtlichen Interesses gerückt.
Zwischen 500 und 300 v. Chr. mögen die ersten keltischen Wohn- und Verteidigungsanlagen entstanden sein, die dann, im Besitz der germanischen Chatten, um die Zeitwende vervollständigt wurden. Heute finden wir nur noch stark verebnete 12 km lange Wallringe, die den Berg konzentrisch umschließen. Der größte Durchmesser der 90 ha großen Anlage beträgt 1150 m. Der oberste Ringwall mit seiner oft 6 bis 8 m hohen Außenböschung und einem bis 35 m breiten Ausschattungsraum hinter dem Wall ist am besten erhalten geblieben. Der Mittelring in seinem NO-Bogen, wo in letzter Zeit die meisten Funde gemacht wurden, zeigt ebenfalls noch ausgeprägte Konturen.
Außer den Walltoren kann man heute noch die wallgesicherten Wasserstellen Grinchesweher (krinc-ges = Kreis, Ring, Kringel) und Schulborn (sul = Lache, in der sich das Schwarzwild suhlt) gut erkennen. Die Befestigung hat den Menschen nicht nur in Gefahrenzeiten als sogenannte Fliehburg gedient. Die zahlreichen Funde und die ausgedehnten Ackertrassen lassen auf eine befestigte Dauersiedlung schließen.
Ende des 20. Jahrhunderts wurde ein keltisches Tor am Fusse des Berges nachgebaut.
Auffallende vorgeschichtliche Zeugen innerhalb unserer Gemarkung sind die Hügelgräber, die sowohl der Bronze- als auch der Eisenzeit (2000 vor bis Christ Geburt) angehören können.
Die Hügelgräberleute besiedelten die damals bewaldeten, sanften Höhen unseres Landes und betrieben Viehwirtschaft mit etwas Ackerbau.
Von 1200 bis 800 v. Chr. wich die Körperbestattung der Brand(Urnen)bestattung. Etwa zwischen 800 und 450 v. Chr. war die Körperbestattung wieder üblich. Gewiss waren dies auch verschiedene Völker.
In unseren Gemarkungen befinden sich Hügelgräber in größerer oder kleinerer Anzahl zwischen Rodheim und dem Frauenkreuz, bei Bubenrod, bei Frankenbach, am Dünsberg, am Vetzberger Wald, bei Fellingshausen und im Heegstrauch. Im Zuge der Rodung beim "Stummen Loch" wurden im Jahre 1843 12 bis 14 Hügelgräber eingeebnet.
2. Die Siedlungsentwicklung
Über die Siedlungsentstehung der einzelnen Orte um den Dünsberg, außer der Besiedlung des Berges um die Zeitenwende selbst, ist uns nichts überliefert. Wir sind hier leider nur auf Vermutungen und Schlussfolgerungen der Historiker und Siedlungsgeographen angewiesen. Wie lange unsere Dörfer schon da standen, als die ältesten Urkunden sie erwähnten, wird wohl nie zu ergründen sein. Gewiss ist, dass um den Dünsberg mehr Einzelhof- und Gehöftgruppensiedlungen lagen, als heute Ortschaften bestehen. Davon geben uns ehemalige Ackerfluren innerhalb unserer Großgemarkung Auskunft.
Von allen Orten ist Rodheim vor Bieber, Fellingshausen, Frankenbach und Krumbach als der älteste anzusehen. Ihre Entstehung sowie und die der wüstgewordenen Ortschaften "Sterkershausen" (bei Rodheim), "Großlingshausen" (bei Gislingshausen unweit des ehemaligen Forsthauses Haina). " Melmertshausen" und " Gilbertshausen" (bei Frankenbach) muss zumindest bei Rodheim vor und bei den anderen Ortschaften um 800 angesetzt werden. Jünger sind zweifellos die Burgsiedlungen Vetzberg und Königsberg. Vetzberg dürfte um 1100 und Königsberg um 1200 entstanden sein. In das 15. und 16. Jahrhundert ist die Entstehung der Weiler "Bubenrod" und "Haina" anzusetzen. Während "Sterkershausen" nicht mehr zu lokalisieren ist, weiß man die Standorte der ehemaligen Gruppenhofsiedlung "Atzenhausen" (Fläche südlich vom "Gepräg" Ortsteil Königsberg, "Eringhausen" (Fläche "Ebertstein" Steinbruch Westermann) und "Bensburg" (bei den Fischteichen in Dünsberggrund) ziemlicher Genauigkeit.
Die urkundlichen Ersterwähnungen sagen uns wenig über die Gründung unserer Dörfer, sind aber nichtsdestoweniger interessant: Gilbertshausen 890, Rodheim 1150, Vetzberg 1226, Großlingshausen 1228, Königsberg 1257, Fellingshausen und Krumbach 1261, Frankenbach 1285, Bubenrod 1450, Haina 1568 und Sterkershausen 1479.
Die Gründe für das Entstehen von Wüstungen sind im einzelnen recht verschieden gewesen. Sie sind gewiss nicht die Folgen des Dreißigjährigen Krieges und kaum mit der Pest in Zusammenhang zu bringen. Denn Gilbertshausen ist zwischen 1361 und 1432 und Melmertshausen schon viel früher ausgegangen: also nach der großen Pest und vor dem Dreißigjährigen Krieg!
Königsberg, erst solmsisch, bildet bereits 1372 ein eigenes Amt unter dem Landgrafen von Hessen, zudem u.a. jahrhundertlang auch Haina und Frankenbach gehören. Wann vorher der Bezirk Frankenbach- Krumbach aufgelöst wurde, ist nicht bekannt. Zumindest hat er 1629 nicht mehr bestanden.
Konzentration von Siedlungs- und Wirtschaftsflächen, Klimaschwankungen, Ungunstlage, Ostkolonisation, durch die Erfindung des Scharpfluges Überproduktion von Getreide u.a.m. waren die Ursache für die Aufgabe dieser Gehöftgruppen zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert. (Die Flurwüstungen unserer Tage stehen im Zusammenhang von Prosperität der Eigentümer und Ungunstlage der wüst(brach)gewordenen Flächen).
Allein Bieber macht in seiner Entwicklungsgeschichte eine Ausnahme. Als "Biberaha" dürfte es bestimmt schon um 800 dagewesen sein. Es ist aber aus einem der oben angeführten Gründe (wahrscheinlich im 14. Jahrhundert) wüst geworden und seine Gemarkung ging in denen von Rodheim, Fellingshausen und Königsberg auf. Es erscheint erst wieder 1638 als Ort, der dann bis 1933, erst zu zwei Dritteln zu Fellingshausen und zu einem Drittel nach Rodheim gehörte, dann später je zur Hälfte, weil er keine eigene Gemarkung mehr besaß. Auch die Vetzberger Gemarkung musste zur Zeit der Burggründung aus der Rodheimer Gemarkung herausgenommen werden, da das umliegende Land schon längst aufgeteilt war.
Übrigens, auch die Gemarkung von "Melmertshausen" und "Gilbertshausen" sind in die Gemarkung Frankenbach eingegangen.
Die Dörfer unserer Gemeinde durchliefen in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Siedlungsentwicklung die Phasen vom Weiler der Burgsiedlung (800 bis 1500) über das Bauern- oder Haufengewanndorf (1400 bis 1800) und dem (Berg-)Arbeiterbauerndorf (1800 bis 1946) zur Arbeiterwohngemeinde und heute sogar Wohngemeinde mit mehr oder weniger starker sozialer Differenzierung.
3. Die territorialpolitische Entwicklung
In fränkischer zeit gehört unser Gebiet zum Lahngau. Dann aber entwickelten sich drei Stränge, die nach Jahrhunderten erst wieder in einem Strang, nämlich der Großgemeinde Biebertal, zusammenfanden.
a) Rodheim, Bieber und Fellingshausen waren vermutlich schon seit der Jahrtausendwende den Grafen von Gleiberg untertan. Vom 13. Jahrhundert bis 1585 unterstanden sie zwei Herren: dem von Hessen und dem von Nassau-Weilburg. Von da an gehörten sie fortan bis 1866 zu Hessen-Darmstadt und zum Amt Gießen.
b) Vetzberg, erst dem Grafen von Gleiberg, dann den Herren von Merenberg und letztlich fast ein halbes Jahrtausend zu Nassau-Weilburg gehörig, gelangt von 1816 bis 1932 an Preußen und schließlich bis 1945 zu Hessen- Nassau.
c) Krumbach und Frankenbach sind schon um 1300 ein eigener Bezirk innerhalb der Solmser Herrschaft.
d) 1627 gelangt des Amt Königsberg mit seinen neun dazugehörigen Orten an Hessen- Darmstadt und 1821 wird das Amt dem Landratsbezirk Gießen zugeteilt. Somit gehören u. a. Rodheim, Fellingshausen, Bieber, Königsberg, Frankenbach und Krumbach zum Verwaltungsbezirk Rodheim.
Andererseits waren aber Rodheim und Fellingshausen schon seit dem Mittelalter mit Vetzberg in der Rodheimer Mark, einer Wald- und Weidegenossenschaft, verbunden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1834 bis 1838 auf Betreiben des Staates, dem diese freiheitliche Ordnung ein Dorn im Auge war, wurde die Mark aufgelöst und der Wald in den Eigentum der Gemeinde überführt.
Während Königsberg 200 Jahre lang Verwaltungsmittelpunkt war und bis 1929 sogar Stadtrechte besaß, bildet Krumbach im Dreiländereck (Hessen-Kassel; Hessen-Darmstadt; Preußen) meistens ein Eigendasein und war bis zum Gemeindezusammenschluss auf verschiedene Weise mit Frankenbach verbunden.
Der Verwaltungsbezirk Rodheim (Frankenbach, Königsberg, Hermannstein, Nauheim, Waldgirmes, Krumbach, Fellingshausen, Bieber und Rodheim) wurde 1866 aus dem Kreis Gießen ausgegliedert und dem Kreis Biedenkopf zugeschlagen, von wo wir bis zur Gebietsneugliederung im Jahr 1933 verwaltet wurden. Bei dieser Gelegenheit wurden o. g. Orte dem Kreis Wetzlar zugeordnet, zu dem Vetzberg schon längst gehört, und die seit dem Mittelalter zu Fellingshausen gehörenden Teil von Bieber nach Rodheim eingemeindet. Ein weiterer Akt der vielen Verwaltungsreformen war damit besiegelt.
Die ständig gewachsenen Anforderungen an ehrenamtliche Bürgermeister und deren Verwaltungsgehilfen seit den fünfziger und sechziger Jahren zwangen die Kommunalpolitiker zu handeln. Nach mehreren Vorgesprächen stimmen am 24. August 1970 die Verhandlungskommissionen von Rodheim-Bieber, Fellingshausen, Vetzberg und Krumbach für einen Zusammenschluss ihrer Gemeinden und gebe der neuen Großgemeinde den Namen "Biebertal". Am 10. September des gleichen Jahres beschließt auch das Gemeindeparlament von Königsberg, sich der Großgemeinde anzuschließen. Nachdem der Kreistag des Kreises Wetzlar und die Hessische Landesregierung dem Zusammenschluss zustimmte, trat am 1. Dezember 1970 der Vertrag in Kraft. Dieses Datum bedeutet Erfolg und Krönung kommunalpolitischen Wirkens für den Bürgermeister von Rodheim-Bieber, Wolf Dieter Meckel.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1977 wurde durch Landesgesetz die Gemeinde Frankenbach, deren Bevölkerung sich bei einer Volksbefragung mit großer Mehrheit für Biebertal und nicht für Hohenahr ausgesprochen hat, Ortsteil der Gemeinde Biebertal.
Nachdem man sich auf dem Gebiet der Schule, der Forstverwaltung, der gemeindlichen Kassengeschäfte, des Standesamtes, des Schiedsgerichts und letztlich bei der Abwasserbeseitigung zur Kooperation zusammengefunden hatte, war die Großgemeinde nunmehr Schlusspunkt einer Jahrhunderte langen Entwicklung, aber auch das Wagnis, für einen neuen Abschnitt unserer Lokalgeschichte.
Mit der Auflösung der Stadt Lahn zum 01.08.1979 wurde die Gemeinde Biebertal aus dem Lahn-Dill-Kreis (bestehend aus dem Kreis Wetzlar und dem Dill-Kreis) ausgemeindet und dem Kreis Gießen zugeordnet.